Mem- das Tor zur Welt. Oder auch nicht… aber zumindest für uns das Tor in eine neue Herausforderung.

Philippe steuert vorsichtig auf den Absprungsteg zu. Unsere Lotte hat sich bis auf einen halben Meter dem Steg genähert, ich springe mit zwei Leinen über Bord und gehe plötzlich mit dem Boot Gassi. Während Philippe das Boot behutsam in die Schleuse fährt, gehe ich parallel mit zwei Leinen an Land die Schleusenmauer hinauf, um unsere Lotte an den Ringen an Land zu befestigen. Von außen muss es ein bisschen so aussehen, als würde ich ein Pferd longieren. Jetzt beginnt die eigentliche Aufgabe. Nachdem die Ringe an Land belegt sind, ist für mich die meiste Arbeit getan. Ich habe definitiv den Quatschjob, bei dem ich mich Schleuse für Schleuse mit den Schleusenwärter*innen oder „Mitschleuser*innen“ unterhalte.

Für Philippe gibt es nun Einiges zu tun. Er muss beim Schleusen stets die Leinen auf Spannung halten, damit die entstehenden Strömungen unser Boot nicht hin und herwerfen und dann ist da ja auch noch ein kleines Würmchen zu bespaßen. Jannis quengelt? Kein Problem, Papa kann doch schön singen. Jannis ist müde? Kein Problem, Papa kann Leinen bedienen und gleichzeitig Jannis in den Schlaf schaukeln. Jannis weint, weil er Hunger hat? Oh Mist – Ich muss irgendwie an Bord. Also warte ich ab, bis das Boot zumindest eine Hälfte der Schleusenhöhe überwunden hat. Papa hält die Leinen auf Spannung, legt das Kind kurz in den Kinderwagen und geht auf’s Vorschiff um mich mal schnell aufzufangen, wenn ich vom Schleusenrand auf das Boot springe. Hatte ich schon erwähnt, dass wir am ersten Tag 8 Schleusen bei einer Durchschnittstemperatur von 28 Grad Celsius und knallender Sonne hinter uns gebracht haben und es insgesamt 58 Schleusen sind. Noch Fragen?

Mal ehrlich, von wegen Scheidungskanal. Ich bin ganz schön stolz auf uns, dass wir diese Herausforderung so meistern. Okay, okay, ich gebe es zu. Es gab hin und wieder ein: „Wie weit soll ich denn noch ran, damit du springst?“ oder ein „Wenn du jetzt da gegen fährst, dann ist das ganze Boot im Arsch“, aber alles in allem haben wir die Männertruppen mit 5 Mann Crew an Bord locker in die Tasche gesteckt.

Der Götakanal wird von den Schweden als das Bauwerk des Jahrtausends bezeichnet und auch für uns ist es kaum vorstellbar wie Anfang des 19. Jahrhunderts tausende Soldaten und Handwerker diesen Kanal in den Fels gesprengt und mit insgesamt 58 Schleusen schiffbar gemacht haben. So geht es zwischen dem Vänern und Vättern See hinauf bis auf gut 90 m über dem Meeresspiegel.

Nach fast zwei Monaten auf der Ostsee genießen wir die komplett veränderte Szenerie und freuen uns darüber jeden Tag in einem anderen schwedischen Dorf festzumachen. Es sind hier nicht die großen Attraktionen oder die atemraubenden Landschaften, sondern es ist das Flair, wenn man beim Abendessen am Rande des Kanals sitzt, dass die Kanalfahrt zu einem ganz besonderen Erlebnis macht.

Beeindruckend sind natürlich die Schleusentreppen, bei denen mehrere Schleusenkammern zusammen eine große Schleuse ergeben. Diese finden sich z.B. in Berg oder Motala und hier werden dann in kürzester Zeit große Höhenunterschiede bewältigt.

Und so vergeht die Zeit auf dem Kanal recht schnell und in null Komma nix sind wir an dem wunderschön klaren See Vättern angelangt. Hier machen wir einen kurzen Stopp und liegen mal wieder vor Anker im schönen Ombo-Archipel.

Und dann geht es am Ende schneller als man denkt, nach ein paar weiteren Tagen auf dem Kanal nähern wir uns bereits mit Sjötorp dem Ende des Götakanals und somit dem Vänern See. Noch eine letzte Schleuse hinab und dann können wir einen Haken an die insgesamt 58 Schleusen machen. Wir haben es geschafft! Sind erschöpft und doch happy alles so gut gemeistert zu haben.